Was um alles in der Welt sind Arbeit-Geber-Beitrags-Reserven (AGBR)?

Dass sich das Stadtparlament einstimmig, alle Winterthurer Personalverbände, der Stadtrat und der Stiftungsrat der PKSW auf eine gemeinsame Lösung zum Abschluss der Verselbständigung der PKSW haben einigen können, darf – auch wenn es etwas pathetisch klingt – als historisch bezeichnet werden.

Doch was steckt genau hinter dieser Lösung, die als «dynamisches Modell, welches es bis dato noch nicht gibt» in den Medien angepriesen wurde? Und weshalb ist das Stadtparlament zum Schluss gekommen, dass dieses Modell noch besser ist, als das Modell, welches im Frühjahr 2023 vom Stadtrat vorgestellt wurde?

Machen wir zuerst einen Schritt zurück. Die PKSW wurde im Jahr 2014 aus der Stadtverwaltung ausgegliedert und als öffentlich-rechtliche Pensionskasse verselbständigt. Da diese neue Stiftung die Pensionskassenguthaben der Mitarbeitenden der Stadt eigenständig führen und die Renten der Pensionierten, Invaliden und Hinterbliebenen selber ausrichten musste, benötigte sie dafür die nötigen finanziellen Mittel. Diese Gesamtsumme zu berechnen war im Jahr 2013 sehr schwierig, da sich damals die Zinsen im «freien Fall» befanden.

Schon nach kurzer Zeit hat sich herausgestellt, dass die PKSW mit zu wenig Geld in die Selbständigkeit geschickt wurde. Geld, welches den Mitarbeitenden und den Pensionierten gehört hätte. «Sanierungsmassnahmen» wurden eingeleitet, was begrifflich nicht der Realität entsprach. Bei einem Hausbau würde man von der «Behebung von Baumängeln» sprechen. Eine Sanierung setzt selbstredend voraus, dass ein Haus irgendwann fertiggestellt wurde und nun wiederhergestellt – also saniert – werden muss. Dies war bei der PKSW nachweislich nicht der Fall.

Sanieren bedeutet wiederherstellen.
Die PKSW muss zuerst fertiggestellt werden.

Die Herausforderung besteht nun darin, die Baumängel der PKSW im Nachhinein zu beziffern und zu beheben. Zu Beginn bestand die Hoffnung, dass es die Börse richten wird und mit Gewinnen an den Finanzmärkten das fehlende Geld «verdient» werden kann. Zudem sollten «Sanierungsbeiträge» helfen, die PKSW ins finanzielle Gleichgewicht zu bringen.

Ein erster Versuch, eine politische Einigung für eine Ausfinanzierung der PKSW zu finden, war im Jahr 2019 im Stadtparlament gescheitert. Gleichzeitig wurde beschlossen, zu prüfen, ob ein Anschluss an eine andere Pensionskasse sinnvoll sei. Diese Frage wurde zwischenzeitlich klar verneint.

Und tatsächlich konnte per Ende 2021 zum ersten Mal seit der Verselbständigung eine 100%-ige Deckung aus eigener Kraft ausgewiesen werden. Leider hat anfangs 2022 der Ukrainekrieg begonnen und die Finanzmärkte sind wieder massiv eingebrochen. Und deshalb hiess es schon wenige Monate später: Wie gewonnen, so zerronnen.

Höchste Zeit also, die «Baumängel» der PKSW zu beheben. Dies haben auch der Stadtrat und das Stadtparlament eingesehen. Das nun präsentierte «dynamische Modell» ist nicht nur ein Kompromiss von links bis rechts, sondern vor allem eine Lösung, welche für die Stadt wie auch für die PKSW gleichwertige Chancen bedeuten.

Das Zauberwort heisst «Arbeit-Geber-Beitrags-Reserven» oder kurz AGBR. Solche AGBR kann jede Arbeitgeberin (AG), bei ihrer Pensionskasse einbezahlen, um daraus künftige Beitragsrechnungen zu bezahlen. Nun kann die AG freiwillig darauf verzichten, diese Reserven auch tatsächlich anzuzapfen. Dem sagt man «Verwendungsverzicht».

Und so funktioniert’s: Die Stadt bezahlt auf ein Sperr-Konto (Mieter*innen kennen dies vom Mietzinskautionskonto) in ihrem Namen CHF 120 Mio. bei der PKSW ein. In den folgenden Jahren wird geschaut, wie sich die finanzielle Lage der PKSW präsentiert. Liegt die Deckung unter 100%, überträgt die Stadt je nach Deckungsgrad CHF 10 Mio. oder CHF 20 Mio. an die PKSW. Umgekehrt erhält die Stadt CHF 10 Mio. oder CHF 20 Mio. für die Bezahlung ihrer Pensionskassenbeiträge zurück, bei einem Deckungsgrad über 105%. Solange der Deckungsgrad zwischen 100% und 105% liegt, bleibt das Geld auf dem Sperr-Konto. Es besteht also die Chance für die Stadt, als auch für die PKSW, das Geld zu erhalten. Am Wahrscheinlichsten ist es aber, dass aufgrund der Schwankungen an den Börsen über die kommenden Jahre, das Geld zum Teil zurück an die Stadt und zum Teil ins Vermögen der PKSW fliesst.

Kontaktieren Sie uns unter +41 52 208 92 20 oder per Email unter pensionskasse@pksw.ch.

Ihr Stephan Keller


Über den Autor

Stephan Keller leitet die Pensionskasse der Stadt Winterthur seit August 2020.
Der 57-jährige bringt über 30 Jahre Erfahrung in der beruflichen Vorsorge mit, ist Betriebsökonom FH und hat einen Masterabschluss in Customer Relationship Management der ZHAW. Keller bezeichnet sich als kompetenten, kommunikativen und kreativen Brückenbauer innerhalb der
2. Säule.