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ESG – ein holpriges Kürzel für eine lebenswerte Zukunft

Zum Einen hat der griechische Dichter Äsop erkannt, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht. Zum Anderen hat Mark Twain philosophiert, dass das Geheimnis des Erfolges sei, anzufangen. Genau an diesem Punkt steht die ganze Pensionskassenbranche in Bezug auf die nachhaltige Vermögensanlage. Es gibt viele gute Ansätze (Schwalben) und es gibt auch erste Erfolge, doch steht man noch am Anfang und der Sommer ist noch weit.

Worum geht es? Stand über Jahrzehnte einzig die Wertentwicklung der Anlage des Vermögens einer Pensionskasse im Fokus, rücken nun auch Themen wie «Schonung der Umwelt», «soziale Verantwortung» oder «vorbildliche Unternehmensführung» in den Vordergrund. Dass ESG-Ziele nicht im Widerspruch zum Auftrag stehen, risikoadjustiert möglichst hohe Erträge auf den Vermögensanlagen zu erzielen, wollen wir nachstehend aufzeigen. Vor allem aber geht es uns darum, über die ESG-Aktivitäten Transparenz zu schaffen.

Doch was bedeutet das holprige Kürzel «ESG» überhaupt? Dahinter versteckt sich die englische Abkürzung «Environment, Social, Governance» oder auf Deutsch übersetzt «Umwelt, Soziales, Unternehmensführung». Hinter dem «E» stehen beispielsweise die Auswirkungen der angelegten Gelder auf das Klima. Das «S» wiederum steht für die soziale Verantwortung, z.B. wird Kinderarbeit geleistet oder bestehen Lohnungleichheiten zwischen Frauen und Männern, etc.. Zu guter Letzt versteckt sich hinter dem «G» die «gute» Unternehmensführung, also der Anspruch an eine Firma, sich an Gesetze und Vorschriften zu halten und Transparenz über ihre Tätigkeiten zu schaffen. Die reine Gewinnmaximierung ohne Berücksichtigung von ESG-Kriterien kann – mit gesundem Menschenverstand betrachtet – nicht im Interesse der Versicherten einer Pensionskasse sein.

Während die einen Pensionskassen sich schon seit Jahren dazu verpflichtet haben, ihren Einfluss auf eine lebenswerte Zukunft wahrzunehmen und auf die Karte «aktive Umsetzung der nachhaltigen Vermögensanlage» gesetzt haben, sind andere Pensionskassen erst vor Kurzem aufgrund von Internationalen Vereinbarungen wie zum Beispiel dem Pariser Klimaabkommen oder den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der UNO zu einem Umdenken gezwungen worden. Der zunehmende Druck seitens der Versicherten und der Öffentlichkeit hat diesen Prozess zusätzlich beschleunigt.

Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun sondern auch für das, was wir nicht tun.
Molière, französischer Dramatiker aus dem 17. Jahrhundert

In der Diskussion wird oft vernachlässigt, transparent mit den Versicherten und der Öffentlichkeit zu kommunizieren und regelmässig ESG-Kennzahlen der eigenen Vermögensanlagen zu veröffentlichen. Ganz nach dem Motto: Tue Gutes und sprich davon. Zudem sollte auch der «Weg zum Ziel» aufgezeigt werden. Also beispielsweise die Massnahmen und Meilensteine zu Erreichung des Ziels «Net Zero», also der Erreichung der Klimaneutralität bei den Vermögensanlagen. Gemäss der aktuellsten Swisscanto Pensionskassenstudie wird nur gerade bei 14% der kleineren und 50% der grösseren Pensionskassen eine Erhebung von ESG-Kennzahlen vorgenommen. Das ist bedauerlich, denn nur durch Transparenz entsteht Glaubwürdigkeit für eine verbindliche Umsetzung der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie. Dies betonte auch der Bundesrat in seinem Bericht «Sustainable-Finance Schweiz» im Dezember 2022.

Der ebenfalls im Dezember 2022 veröffentlichte «ESG-Reporting-Standard» für Nachhaltigkeits-Berichterstattung von Pensionskassen des Schweizerischen Pensionskassenverbandes ASIP setzt genau hier an. Das Ziel ist es, dass Schweizer Pensionskassen jährlich über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen in der Vermögensverwaltung transparent und vor allem einheitlich und somit vergleichbar berichten. Der ASIP empfiehlt allen Pensionskassen, ab dem Geschäftsjahr 2023 über die Nachhaltigkeitszahlen ihres Portfolios Auskunft zu geben.

Die Pensionskasse der Stadt Winterthur (PKSW) hat bereits für das Geschäftsjahr 2022 den ersten Nachhaltigkeitsbericht nach dem neuen ASIP-Standard veröffentlicht. Es hat sich bei der Umsetzung gezeigt, dass eine Berichterstattung der Basis-Kennzahlen bereits heute mit überschaubarem Aufwand umsetzbar ist. Fast alle der notwendigen Kennzahlen können standardmässig bei den Vermögensverwaltern oder dem Global Custodian mittels eines Fragebogens in Erfahrung gebracht werden.

Im ersten Klimabericht der PKSW konnten bereits erfreuliche 81% aller Vermögensanlagen einbezogen werden, einschliesslich der Themen Stimmrechtsausübung, Engagement und Ausschlüsse. Auch wenn Schweizer Pensionskassen damit erst am Anfang stehen, sind wir überzeugt, dass es sich dabei nicht nur um eine «Schwalbe» handelt, sondern dass wir dem «Sommer» Schritt um Schritt näher kommen. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass das Geheimnis des Erfolges tatsächlich ist, zu beginnen.

Bei Fragen und Feedback zum Nachhaltigkeitsbericht der PKSW stehen die beiden Autoren jederzeit gerne zur Verfügung.


Andreas Gull unterstützt den Leiter Vermögensanlagen bei der Pensionskasse der Stadt Winterthur seit 2021.

Der 35-Jährige bringt über 15 Jahre Berufserfahrung in der Finanzbranche mit, ist Eidg. Diplomierter Finanz- und Anlageexperte und hat einen Bachelorabschluss in Betriebsökonomie mit Vertiefung Banking and Finance der ZHAW. Gull ist bekannt für seine kritische Haltung gegenüber Marketing-Geschwätz in der Finanzbranche und in seiner Freizeit oft auf der «Schützi» anzutreffen, wo er seinen FCW anfeuert.


Stephan Keller leitet die Pensionskasse der Stadt Winterthur seit August 2020.

Der 58-jährige bringt über 30 Jahre Erfahrung in der beruflichen Vorsorge mit, ist Betriebsökonom FH und hat einen Masterabschluss in Customer Relationship Management der ZHAW. Keller bezeichnet sich als kompetenten, kommunikativen und kreativen Brückenbauer innerhalb der
2. Säule.