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Reicht der Vorrat an Nüssen für den nächsten Winter?

Wie gesund ist die Pensionskasse der Stadt Winterthur (PKSW)? Eine schwierig zu beantwortende Frage. Ich wage den Versuch, mit einer Metapher den aktuellen Gesundheitszustand der PKSW zu beschreiben.

Schön wäre es, wenn man den Zustand der PKSW an einem «Fiebermesser» ablesen könnte, welcher bei allen Pensionskassen in der gleichen Art eingesetzt würde. Wie beim Fiebermessen: über 37 Grad bedeutet krank, unter 37 Grad gesund. Bei Pensionskassen gibt es zwar auch eine solche Messgrösse, den sogenannten Deckungsgrad. Statt in Grad Celcius wird er in Prozenten dargestellt. Über 100% bedeutet gesund, unter 100% krank. Ganz so einfach ist es aber eben leider nicht. Vergleicht man die Deckungsgrade der Pensionskassen miteinander, ist es wie Äpfel mit Nüssen (wenn es wenigstens Birnen wären…) zu vergleichen. Zu den Nüssen komme ich gleich noch.

Wieso ist es so schwierig, die Pensionskassen in der Schweiz miteinander zu vergleichen?

Ein Markenzeichen der Schweiz ist es, möglichst viel Eigenverantwortung zuzulassen und nur den Rahmen vorzugeben. Auch bekannt unter Föderalismus. Genau deshalb gibt es in der Schweiz rund 1'300 Pensionskassen in verschiedenen Grössen, Organisationformen, Trägerschaften, Kundenstrukturen, Finanzierungsformen, etc.

Auch die PKSW als öffentlich-rechtliche Schweizer Pensionskasse hat eine ganz eigene Struktur und Vergangenheit. Dank der Stadt Winterthur als Stifterin und Haupt-Arbeitgeberin haben wir einen stabilen Versichertenbestand und verfügen somit über eine hohe Planungssicherheit. Da wir aber erst vor etwas mehr 10 Jahren ohne Reserven aus der Stadtverwaltung herausgelöst wurden, sind wir noch immer anfällig für Verluste an den Börsen.

Das Eichhörnchen würde sagen: «Der Vorrat an Nüssen ist noch zu klein, um sicher durch jeden Winter zu kommen.»

Der Vergleich mit dem Wintervorrat des Eichhörnchen zeigt treffend auf, wieso man nicht einfach sagen kann: «Die PKSW hat einen Deckungsgrad von über 100% und ist deshalb gesund». Sowohl das Eichhörnchen als auch die PKSW kann nämlich nur aufgrund von Erfahrungen aus der Vergangenheit einschätzen, ob der Vorrat zu 100% reichen wird oder eben nicht.

Für das Eichhörnchen stellt sich folgende Frage beim Sammeln von Nüssen für den Wintervorrat: Wird der nächste Winter härter oder milder als der Durchschnitt der früheren Winter? Vor einem «harten» braucht es mehr, vor einem «milden» Winter weniger Nüsse im Vorrat.

Übersetzt bedeutet dies für die PKSW: hohe Erträge und Zinsen = «milder» Winter, tiefe Erträge und Zinsen = «harter» Winter. Wie es wirklich kommen wird, weiss weder das Eichhörnchen noch die PKSW. Und doch müssen beide versuchen, möglichst realistisch zu schätzen, ob der Vorrat für die Zukunft reicht oder eben nicht.

Nehmen wir zum Vergleich ein Vorrat von 100 Nüssen, welches ein Eichhörnchen am Anfang des Winters vorrätig hat und aus seiner Erfahrung reichen müsste, diesen zu überstehen. Wenn es nur 85 verzehrt, bevor der Frühling zurückkehrt, so wird es noch Reserven für den nächsten Winter haben. Wenn es 115 Nüsse gebraucht hätte, dann wird es schon vor dem Frühling Hunger leiden. Der Vorrat, also der Deckungsgrad, war in diesem Fall ungenügend.

Um einen normalen Winter zu überleben, braucht ein Eichhörnchen einen Vorrat von beispielsweise 100 Nüssen,
für einen harten Winter 115 Nüsse.
Das Gleiche gilt für die PKSW beim Deckungsgrad:
100% reichen für einen «normalen Winter»,

115% braucht es für einen «harten Winter».

So ist es auch bei einer Pensionskasse. Ein Deckungsgrad von 100% bedeutet, dass der Stiftungsrat davon ausgeht, dass genau soviel Kapital vorhanden ist, um den nächsten normalen Winter zu überstehen. Wenn die Kapitalanlagen an Wert verlieren und/oder das Zinsniveau fällt, werden die 100% (oder 100 Nüsse) nicht ausreichen. Wenn hingegen Gewinne an den Börsen und/oder höhere Zinsen anfallen, hätte auch ein tieferer Deckungsgrad von z.B. 85% (oder 85 Nüsse) ausgereicht.

Der aktuell auf der Website der PKSW kommunizierte Deckungsgrad von knapp 104% (oder 104 Nüsse), besagt also nur, dass der Stiftungsrat glaubt, dass für die kommenden Jahre – bei einem erwarteten Zinsniveau von 1,75% – genug Kapital vorhanden ist, den nächsten normalen Winter mit einer kleinen Marge von 4% (4 Nüsse) zu überstehen. Für einen «harten» Winter wird diese Reserve bei Weitem nicht ausreichen.

Der andere Deckungsgrad von etwas über 95%, welcher dazuführt, dass die PKSW im Jahr 2025 einen Zuschuss von CHF 10 Mio. aus der CHF 120 Mio.-Reserve der Stadt erhält, basiert auf dem aktuell tiefen Zinsniveau von knapp über 0%. Würde dieser Zustand über Jahre anhalten, würde dies für die PKSW viele «harte» Winter bedeuten und somit wesentlich grössere Wintervorräte nötig machen.

Für die PKSW (oder das Eichhörnchen) ist es ratsam, den Vorrat so aufzubauen, dass nicht nur ein einziger normaler Winter, sondern auch die darauffolgenden Winter überlebt werden können. Deshalb strebt die PKSW einen Deckungsgrad von 115% (oder 115 Nüsse) an. Diese 15% (oder 15 Nüsse) sind die zusätzlichen Reserven, um die Schwankungen der kommenden Winter auszugleichen.

Zur Eingangsfrage: Die PKSW ist auf gutem Weg wieder ganz gesund zu werden. In Sprache des Eichhörnchen: Die Genesung des leichten Schnupfens und die Stärkung des Immunssytems verzögert sich wegen der aktuellen Kälteperiode aber noch ein wenig. Es ist zu hoffen, dass die PKSW bald wieder genügend Reserven hat, um  kerngesund zu sein.

Stephan Keller
Vorsitzender der Geschäftsleitung


Stephan Keller leitet die Pensionskasse der Stadt Winterthur seit August 2020.

Der 59-jährige bringt über 30 Jahre Erfahrung in der beruflichen Vorsorge mit, ist Betriebsökonom FH und hat einen Masterabschluss in Customer Relationship Management der ZHAW. Keller bezeichnet sich als kompetenten, kommunikativen und kreativen Brückenbauer innerhalb der 2. Säule.